Selbstdarstellung und Bescheidenheit
Von der Seele reden | Folge 616
Von der Seele reden – der Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller, Politik- und Medienwissenschaftler und Vorstand der „Stiftung: Christliche Werte leben“.
Jeden Donnerstag um 20:45 Uhr im Radio und bereits vorab hier den ausführlichen Kommentar online hören. Mehr Infos zur Stiftung auf www.christlichewerteleben.de Der Bundestag wird endlich kleiner
Selbstdarstellung und Bescheidenheit Egozentrische Pfauen schlagen ihre Räder überall und unentwegt: Fußballstars protzen mit Superluxussportwagen und Megavillen, Popsterne halten sich für die Größten, aber auch viele Eltern der KITA-Freunde meiner kleinen Tochter präsentieren einen Wohlstand, den sie sich eigentlich nicht leisten können. Autos kann man leicht leasen. Aber es müssen schon für die Kleinsten Markenartikel sein, aus denen sie in fünf Monaten schon herausgewachsen sind. «Wir kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, um Menschen zu beeindrucken, die wir nicht mögen», brachte es der Hollywood-Schauspieler Walter Slezak (1902-83) einst auf den Punkt. Aber auch die Selfies haben Hochkonjunktur und protzen doch meistens mit Posen, die zeigen sollen, was man für ein toller Hecht ist. Selbstdarstellung steht im Mittelpunkt. Muss einer oder eine, die ganz nach oben kommen will, ein Bedürfnis nach Selbstdarstellung haben? Stimmt es denn, dass bescheidene Personen in der Regel eher zu den Verlierern gehören, weil die anderen mit den Ellbogen, dem Macho-Gehabe, dem narzisstischen Getue viel mehr Raum in Anspruch nehmen und sie verdrängen? Wo bleibt die Bescheidenheit? Bescheidenheit scheint wieder populär zu werden, Der mittleren und älteren Generation wird zum Vorwurf gemacht, nicht bescheiden genug gelebt und ihre Grenzen nicht genug wahrgenommen und die Klimakatastrophe verschuldet zu haben. Da gilt es für die Jungen, bescheidener zu leben. Der Konsumverzicht ist zum Beispiel ein Hebel, mit dem jede und jeder der Klimaerwärmung entgegenwirken kann, sofort, nicht erst in zehn oder zwanzig Jahren, wenn – vielleicht – umweltfreundlichere Technologien einsatzbereit sein werden. Materielle Bescheidenheit wäre also nötig, damit die Menschheit auf diesem Planeten weiter existieren kann. Wir haben zum ersten Mal in der Geschichte einen Stand erreicht, auf dem die meisten glücklich leben könnten, und wir setzen das durch Dummheit und Gier aufs Spiel. Bescheidenheit statt des hemmungslosen Konsums und des Strebens nach immer mehr? Andere Möglichkeiten des Wirtschaftens gibt es sehr wohl. Manche Genossenschaften etwa wirtschaften anders: Wohnbaugenossenschaften, deren Zweck sich nicht im Gewinn erschöpft, sondern vor allem darin besteht, ihren Mitgliedern relativ günstiges Wohnen zu ermöglichen. Oder die Maschinenringe, die den Bauern Landwirtschaftsmaschinen vermieten oder vermitteln, weil es sich für viele nicht lohnt, selbst all das teure Gerät anzuschaffen. Führungskräfte sollten demütiger sein. Auch Topmanager sollten beschein sein. In instabilen Zeiten, wie wir sie heute erleben, braucht es Führungskräfte, die Nähe zulassen, die demütig und bescheiden sind, die Zwischentöne hören. Bescheidenheit fördert den Austausch von Ideen im Unternehmen und ermöglicht bessere Lösungen. Sie schont die Umwelt und ist der Selbstachtung und dem inneren Glück zuträglich. Bescheidenheit bedeutet, sich richtig einzuschätzen, sich weder zu groß noch zu klein zu machen. Und eines wird doch stets unterschätzt: Protz und überhebliche Selbstdarstellung löst doch gerade bei gebildeten Menschen keine Hochachtung aus, sondern bei den einen Neid und bei den meisten aber Verachtung. Und erstaunlich: Menschen, die es wirklich zu etwas gebracht haben, zeigen Bescheidenheit. Also: Bescheidenheit ist nicht Duckmäusertum, nicht Unterwürfigkeit, auch stellen bescheidene Menschen ihr Licht nicht unter den Scheffel. Bescheidenheit, die aus dem Selbstbewusstsein erwächst, ist der Schlüssel zur Achtung durch andere. Ihnen eine schöne Woche, aber bitte in Achtsamkeit.