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Ein Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller
  • Von der Seele reden

Ich sehe was, was Du nicht siehst

Von der Seele reden | Folge 622

16.10.2024

Von der Seele reden – der Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller, Politik- und Medienwissenschaftler und Vorstand der „Stiftung: Christliche Werte leben“.

Jeden Donnerstag um 20:45 Uhr im Radio und bereits vorab hier den ausführlichen Kommentar online hören. Mehr Infos zur Stiftung auf www.christlichewerteleben.de


Schon lange war Populismus in Deutschland nicht mehr so aktuell wie heute. Das Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften befragte stichprobenartig 8.000 Personen aus der Bevölkerung, wie es um die gesellschaftliche und politische Einstellung in Deutschland steht und wie es zu rechtsextremen Überzeugungen kommen kann.

Insgesamt wiesen 24 Prozent der Befragten bundesweit populistische Einstellungen auf – in Ostdeutschland sogar 32 Prozent. Gründe dafür liegen laut der Studie neben persönlichen Merkmalen vor allem in einer negativen Bewertung des eigenen Wohnorts. Menschen mit populistischen Einstellungen sehen ihren Standort gegenüber anderen Regionen in Deutschland aufgrund von wirtschaftlichem Niedergang, Abwanderung und einer schlechten Infrastruktur oder ein schlechtes Mobilfunknetz – als „abgehängt“. Sie haben „den Eindruck, dass sich die Politik für ihre Region nicht ausreichend interessiert und sich zu wenig für deren wirtschaftliche Entwicklung einsetzt“, heißt es in der Studie. Hinzu kommt meiner Überzeugung nach das Problem eines zu hohen Anteils an Migranten ohne Asylstatus, was in der Bevölkerung zu einer diskreditierenden Verallgemeinerung führt. Auch die Kriege in der Ukraine und auf dem Gaza erzeugen Angst und Stress bei vielen.

Tania Lincoln, Psychologieprofessorin an der Universität Hamburg, erforscht die Denkmuster und Emotionen bei Psychosen seit fast 20 Jahren. „Setzt man Menschen unter akuten Stress, steigen körperliche Anspannung und negative Gefühle an. Diese wiederum begünstigen nachweislich Wahngedanken“, fasste sie 2023 in einem Vortrag auf dem Psychiatriekongress in Berlin die aktuelle Forschung dazu zusammen.

Die weltpolitische Situation macht den Menschen bei uns zunehmend Angst, aber auch die Einwanderungspolitik. Da gilt es, dieser Angst entgegenzuwirken. Wir stehen besser da als die meisten anderen Staaten der EU und darüber hinaus. Warum wollen denn so viele Menschen in unser Land? Weil es hier so fürchterlich ist?

Dankbar sein für über 70 Jahre Frieden, Freiheit und Wohlstand. Und über unsere Grenzen hinausschauen. Großbritannien ist durch den Brexit international weit zurückgefallen. In der Türkei gibt es eine Inflation von knapp unter 50%, bei uns 2,3%. Die Energiepreise sind hoch. Die Preise hierzulande wurden aber wenig durch den Atomausstieg beeinflusst. Die These, dass die Ampel-Regierung oder gar Wirtschaftsminister Habeck an den hohen Preisen Schuld seien, ist widerlegt, denn die Deutschen haben schon seit über zehn Jahren die höchsten Strompreise in der EU hingenommen. Nach Daten des europäischen Statistikportals Eurostat hatte Deutschland 2013 die zweithöchsten Strompreise in der EU bei 29 Cent/kWh. An erster Stelle lag Dänemark. Bis einschließlich 2018 war das so: immer Dänemark und dann Deutschland an der Spitze, lese ich im Bayerischen Merkur. In Frankreich wächst die Zahl der Beamten dauernd, die Leistungen der öffentlichen Dienste werden immer schlechter: Der französische Staat ist aufgebläht und überfordert, lese ich in der Neuen Zürcher Zeitung. Von außen mag Frankreich als herrlicher Flecken Erde erscheinen. Seine Bewohner aber leiden unter Niedergangsgefühlen, schreiben die Schweizer. Ich könnte noch viele Vergleiche nennen. Wir sollten aufhören, unser Land schlecht zu reden. Bei dieser Negativsicht handelt es sich in der Tat um Wahrnehmungsverluste.

Lassen Sie sich nicht unter Angst und Stress setzen. Seien Sie optimistisch. Ihre Kinder und Enkel haben es verdient.

Ich wünsche Ihnen eine erfreuliche Woche, aber bitte bleiben Sie achtsam, nicht aber pessimistisch