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Ein Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller
  • Von der Seele reden

Ist ein Verbot der AfD der richtige Weg?

Von der Seele reden | Folge 623

23.10.2024

Von der Seele reden – der Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller, Politik- und Medienwissenschaftler und Vorstand der „Stiftung: Christliche Werte leben“.

Jeden Donnerstag um 20:45 Uhr im Radio und bereits vorab hier den ausführlichen Kommentar online hören. Mehr Infos zur Stiftung auf www.christlichewerteleben.de


Es gibt sehr unterschiedliche Auffassungen zum Thema Verbotsverfahren gegen die AfD. Ich bin grundsätzlich skeptisch, ob ein Verbot dieser rechtsextremen Partei nicht eine außerparlamentarische Opposition schaffen würde, die etwa von einem Drittel unserer Bevölkerung heimlich gestützt würde. Auch führt der „Untergrund“ immer zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Und doch muss sich die Demokratie wehren. Das Bundesverwaltungsgericht hat gerade entschieden: Wer vom Staat zum Juristen ausgebildet werden möchte, der darf diesen Staat und seine Verfassung nicht aktiv bekämpfen. Darauf muss man sich in einem Rechtsstaat verlassen können. „Ungeachtet des Umstands, dass sie eine dauerhafte Beschäftigung für den Staat nicht anstreben und der Vorbereitungsdienst einen notwendigen Abschnitt zur Erlangung der Qualifikation als ‚Volljurist‘ darstellt, nehmen aber auch diese Referendare an der staatlichen Funktion der Rechtspflege teil. Sie haben daher Mindestanforderungen an die Verfassungstreuepflicht zu erfüllen und dürfen sich insbesondere nicht aktiv gegen die Grundwerte der Verfassung betätigen“, urteilten die Richter. Und was für Rechtsreferendare gilt, muss natürlich erst recht für Regierungsmitglieder gelten. Und überall in Europa und darüber hinaus, wo rechte Regierungen zum Zuge kamen, wurde als erstes die Unabhängigkeit der Gerichte untergraben. Das war bei Trump so, der die frei gewordenen Plätze am Obersten Gericht mit stockkonservativen Richter/innen besetzen ließ. Das war in Polen so, als Kaczynski noch Einfluss hatte, das ist jetzt in Italien so. Gleiches in Ungarn. Selbst wenn Orbán aus dem Amt entfernt wird, wird es nicht leicht werden, die institutionelle Unabhängigkeit in Ungarn wiederherzustellen. Die Gewaltenteilung zwischen gesetzgebendem Parlament, der exekutiven Regierung und der Gerichtsbarkeit ist die Voraussetzung jeder Demokratie. Das Gegenteil öffnet Korruption und Ungerechtigkeit Tor und Tür. Da ist die AfD nicht anders. Sie ist eine Reichenpartei, will Behinderte wieder ausschließen vom normalen Umgang mit anderen, den Familien die Unterstützungen wegnehmen, die Reichen sollen keine Erbschaftssteuer mehr zahlen müssen. Den Spitzensteuersatz für Reiche will sie ebenfalls abschaffen. Und es gibt ausreichend Hinweise und Äußerungen von AfD-Politiker/innen, dass sie die Medienfreiheit und die Unabhängigkeit der Gerichte in Frage stellen. Hinzu kommt der Druck aus dem Ausland. "Wir haben es mit einer Partei zu tun, die in drei Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuft worden ist", sagte der CDU-Ministerpräsident Daniel Günther der "Welt am Sonntag". „In einem solchen Moment sollte eine wehrhafte Demokratie die Instrumente, die ihr zu ihrem eigenen Schutz zur Verfügung stehen, auch nutzen." Mit einer Änderung des Grundgesetzes wollen die Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU das Bundesverfassungsgericht besser vor politischer Einflussnahme schützen. Im Rechtsstaat ist die Unabhängigkeit der Richter kein Privileg, sondern eine Verpflichtung. In Deutschland ist die Unabhängigkeit der Rechtsprechung im Grundgesetz verankert: "Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen", heißt es in Artikel 97, Abschnitt 1. Dabei unterscheidet das deutsche Rechtssystem zwei Arten: Zum einen gibt es eine sachliche Unabhängigkeit, sie wahrt die Sachkompetenz. Richter dürfen etwa beim Fällen von Gerichtsurteilen nicht beeinflusst werden, auch nicht von Vorgesetzten oder Kollegen, etwa durch Dienstanweisungen oder Beurteilungen ihrer Arbeit. Hinzu kommt eine persönliche Unabhängigkeit, nach der jene auf Lebenszeit ernannten Richter nicht gegen ihren Willen entlassen oder versetzt werden können. Damit soll verhindert werden, dass Richter selbst einer Willkür ausgesetzt werden, die ihre Unabhängigkeit beeinflussen könnte. Zum einen sollen „wesentliche Strukturmerkmale“ des Bundesverfassungsgerichts wie die Anzahl und die zwölfjährige Amtszeit der Richter*innen, die Anzahl der Senate und die Altersobergrenze von 68 Jahren im Grundgesetz festgeschrieben werden. Zum anderen wird ein neuer „Einzelwahlmechanismus“ eingeführt, um eine Blockade bei der Neuwahl von Richter*innen zu verhindern. Nur die AfD hält den erweiterten Schutz des Grundgesetzes für unnötig. Da hat die Frage, wie wir unsere Demokratie schützen können, schon eine Berechtigung. Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche in Freiheit und Demokratie, aber bitte bleiben Sie achtsam.