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Ein Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller
  • Von der Seele reden

Die Angst darf uns nicht beherrschen

Von der Seele reden | Folge 618

12.09.2024

Von der Seele reden – der Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller, Politik- und Medienwissenschaftler und Vorstand der „Stiftung: Christliche Werte leben“.

Jeden Donnerstag um 20:45 Uhr im Radio und bereits vorab hier den ausführlichen Kommentar online hören. Mehr Infos zur Stiftung auf www.christlichewerteleben.de Der Bundestag wird endlich kleiner


Kriege und die Verkettung globaler Krisen sowie, dass diese über digitale Medien in Echtzeit in unseren Alltag transportiert werden, setzt die Menschen unter Stress. Die scheinbare Masse schlechter Nachrichten lässt schnell die Vermutung aufkommen, dass wir in unheilvollen Zeiten leben. Ein emotionales Resultat dabei kann Studien zufolge Angst sein. Angst um die Zukunft, die eigene Existenz, darum, die Heizungsrechnung nicht mehr bezahlen zu können – oder um Wohlstand und Status zu bangen. Wir wissen aus der Emotionsforschung, dass sich gerade Angst rasch und unverhältnismäßig ausbreiten kann, auch wenn keine reale Bedrohung für Leib und Leben existiert, lese ich auf psychologie-heute.de.

Die Medien befinden sich im digitalen Zeitalter in einem ruinösen Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Menschen. Es ist allgemein bekannt, dass mit sachlichen Berichten nur bei Wenigen Aufmerksamkeit erzielt werden kann. Also werden die Berichte reißerisch, weniger informativ und schon gar nicht ausgewogen, Alles wird schlecht geredet und geschrieben, das Gute unter den Tisch gekehrt. Das erleben wir seit Monaten in Bezug auf die Bundesregierung, die trotz der unterschiedlichen Parteien, die sie tragen, die Energiekrise abgewendet hat, die Inflation von 12,6 % auf heute 2,3 % in den Griff bekommen hat, den Mindestlohn erhöht hat und vieles mehr. Das aber bringt nicht genug Aufmerksamkeit und dann wird draufgehauen. Da sind sich öffentlich-rechtliche und private Medien auch einig.

In der digitalen Welt gelten auch für die Aufmerksamkeitsökonomie ganz neue Spielregeln: Aufmerksamkeit lässt sich einerseits kinderleicht mit Desinformation generieren. Andererseits geben uns soziale Netzwerke Möglichkeiten der Selbstdarstellung, die eine narzisstische Selfie-Kultur und damit neue Ausprägungen von Aufmerksamkeitsökonomie haben entstehen lassen. Diskutiert wird nicht mehr mit Andersdenkenden, sondern nur mit Meinesgleichen in den sozialen Medien, denn da bekomme ich immer Unterstützung für meine Meinung, sei sie auch noch so wirr.

Im öffentlichen Diskurs, aber auch in der wissenschaftlichen Psychologie und Pädagogik, wird daher auf die zunehmende Überlastung von Mediennutzern durch eine stark zugespitzte und grenzenlose Online-Kommunikation hingewiesen. Darunter fallen Suchterscheinungen, Erschöpfungssyndrome und Angstzustände.

Mentale Grenzüberschreitungen in einer digitalen Ökonomie der Aufmerksamkeit sind eine reale und gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die der einzelne Nutzer oft nicht bewältigen kann. Appelliert wird deshalb an intensivere Medienkompetenzvermittlung über alle Altersgruppen hinweg. Diese Forderung aber wird schon lange erhoben, passiert ist zu wenig.

Wenn dann die Rechtspopulisten besonders gut in Wahlen abschneiden, sind wieder die Regierenden Schuld, Journalisten allemal nicht. Eine Bevölkerung in Angst ist gefundenes Fressen für populistische Akteure. Die Geschichte hat gezeigt, dass die Verknüpfung von Ideologie, Emotion und Manipulierbarkeit in der Lage ist, Werte und moralische Grundordnung einer Gesellschaft praktisch zu pulverisieren, sagt der Stressforscher Prof. Adli. Recht hat er. Wir haben so viele Krisen überwunden mit unserem stabilen rechtsstaatlichen System. Da gibt es keinen Grund, die Apokalypse, den Weltuntergang, herbeizureden.

Ich wünsche Ihnen eine positive Woche, aber bitte bleiben Sie achtsam.