Putin droht der NATO
Von der Seele reden | Folge 619
Von der Seele reden – der Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller, Politik- und Medienwissenschaftler und Vorstand der „Stiftung: Christliche Werte leben“.
Jeden Donnerstag um 20:45 Uhr im Radio und bereits vorab hier den ausführlichen Kommentar online hören. Mehr Infos zur Stiftung auf www.christlichewerteleben.de Der Bundestag wird endlich kleiner
Die Ukraine fordert von Verbündeten, mit gelieferten Raketen Ziele in Russland angreifen zu dürfen. Das würde "die Natur des Konflikts" grundlegend verändern, sagt Putin. Sollte der Westen dem Einsatz weitreichender Waffen gegen Ziele in Russland durch die Ukraine zustimmen, würde das nach Putin bedeuten, dass sich die Nato "im Krieg" mit Russland befände. "Dies würde die Natur des Konflikts in erheblich verändern“, sagte Putin im staatlichen Fernsehen, lese ich auf zeit.de. Putin begründete seine Schlussfolgerungen damit, dass die ukrainische Armee nicht fähig sei, derartige Schläge ohne fremde Hilfe durchzuführen. "Das ist nur möglich mit Aufklärungsdaten von Satelliten entweder der Europäischen Union oder der Vereinigten Staaten, also von Nato-Satelliten", sagte der russische Präsident. Putins Drohungen bezeichnete die US-Regierung unterdessen als "unglaublich gefährlich". Diese Rhetorik sei aber nicht ungewöhnlich oder neu, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses. Bundeskanzler Scholz lehnt die Lieferung entsprechenden Kriegsgeräts ab.
Deutsche Politiker/innen hatten sich bereits vor Putins Stellungnahme dafür ausgesprochen, der Ukraine den Einsatz von Raketen auf russischem Gebiet zu erlauben. Es sei richtig und zudem völkerrechtskonform, "nun endlich militärische Ziele in Russland mit weitreichenden westlichen Raketen anzugreifen", sagte SPD-Außenpolitiker Michael Roth dem Portal t-online. Der Grünenpolitiker Anton Hofreiter und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): "Russland terrorisiert die ukrainische Zivilbevölkerung täglich mit Raketenangriffen auf Krankenhäuser, Wohnhäuser und die Energieversorgung". Um die ukrainische Zivilbevölkerung effektiv schützen zu können, müsse die ukrainische Armee in die Lage versetzt werden, militärische Basen auf russischem Territorium mit weitreichenden Waffen treffen zu können.
Experten halten die Kriegsdrohungen aus Moskau für ein Mittel der psychologischen Kriegsführung. Damit soll die Bevölkerung im Westen eingeschüchtert und eine Stimmung erzeugt werden, die prorussischen Interessen dient.
Es hat sich aber das Gefühl breitgemacht, dass diese Experten die Welt nicht mehr verstehen: die Finanzkrise, den Arabischen Frühling, die Wahlerfolge der AfD, den Aufstieg Donald Trumps, auch den Brexit und die Pandemie Covid, zuletzt in Bezug auf die Entwicklung auf dem GAZA-Streifen- nichts davon haben sie richtig eingeschätzt, von Ausnahmen mal abgesehen. Es ist das Zeitalter der Fehlprognosen. Bekannt ist eine Studie, zu der der amerikanische Psychologe und Politologe Philip E. Tetlock Mitte der Achtziger mehr als 280 Politikexperten einlud, die in Universitäten und Thinktanks arbeiteten, in den Medien und in internationalen Organisationen wie dem Weltwährungsfonds; die Hälfte von ihnen war promoviert. In einem Experiment gaben sie über viele Jahre hinweg mehr als 28.000 Prognosen ab: zum Ausgang von Wahlen und Kriegen, zu drohenden Krisen, zur Entwicklung der Börsenkurse, der Ölpreise und der Inflationsrate. Das Ergebnis: "Im Durchschnitt waren die politischen Experten so treffsicher wie ein Schimpanse, der mit Pfeilen auf eine Dartscheibe wirft“, lese ich im Spiegel.
Wo endet die Schraube der Unterstützung Selenskyjs? Zunächst war zivile Unterstützung vonnöten. Die Flüchtlinge mussten untergebracht werden. Dann sollten nur Verteidigungswaffen geliefert werden. Jetzt reichen Angriffswaffen nicht, sie sollen auch auf russischem Gebiet eingesetzt werden dürfen.
Putin hat bereits mehrmals mit den Säbeln gerasselt. Ja, aber wenn der Krieg in die russische Bevölkerung durch NATO-Unterstützung hineingetragen wird, wird Putin möglicherweise nichts anderes übrigblieben, als Ziele in Westeuropa mit Bomben und Drohnen zu übersähen. Und wie sollen wir uns wehren mit einer Armee, die über Jahrzehnte
vernachlässigt wurde? Die Stimmung bei uns ist gespalten, aber immer mehr Menschen bekommen Angst. Das spielt diesen Rechts- und Linkspopulisten in die Hände.
Ich frage mich nur, wie diese Befürworter der Gewaltspirale es unserem Volk erklären wollen, wenn die ersten Bomben auf Berlin fallen?
Ich wünsche Ihnen eine persönlich angenehme Woche in Frieden und Freiheit, aber bitte bleiben Sie achtsam.