Der Bundestag wird endlich kleiner
Von der Seele reden | Folge 614
Von der Seele reden – der Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller, Politik- und Medienwissenschaftler und Vorstand der „Stiftung: Christliche Werte leben“.
Jeden Donnerstag um 20:45 Uhr im Radio und bereits vorab hier den ausführlichen Kommentar online hören. Mehr Infos zur Stiftung auf www.christlichewerteleben.de Der Bundestag wird endlich kleiner
Das Bundesverfassungsgericht hat die wichtigste Änderung zur Wahlrechtsreform der Ampelkoalition bestätigt, was insbesondere der CSU überhaupt nicht gefällt. Denn dass die Richter das Reform-Kernstück, die Zweitstimmendeckung, nicht beanstanden, dürfte tatsächlich zu einer Verkleinerung des Bundestags führen. Bayerns Ministerpräsident Söder kündigte sofort an, eine unionsgeführte Bundesregierung wolle die Zweitstimmendeckung wieder abschaffen.
Durch den von der Regierung auch geplanten Wegfall der Grundmandatsklausel stand insbesondere für CSU und Linke einiges auf dem Spiel. Bei der Wahl 2021 war die CSU, die nur in Bayern antritt, bundesweit auf 5,2 Prozent der Zweitstimmen gekommen. Würde sie bei der nächsten Wahl bundesweit hochgerechnet unter die Fünf-Prozent-Marke rutschen, flöge sie nach dem ursprünglich beschlossenen Wahlrecht aus dem Bundestag - auch wenn sie wieder die allermeisten Wahlkreise in Bayern direkt gewinnen sollte. Diese Grundmandatsklausel hält das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig, womit auch gerechnet wurde. Bis zu einer Neuregelung gilt die Grundmandatsklausel aber weiter, ordnete das Gericht an. Das ist vor allem für die im September 2025 geplante Bundestagswahl relevant: Gelingt es dem Gesetzgeber nicht, die Sperrklausel bis dahin etwa auf drei Prozent zu senken, und die Fünfprozenthürde besteht weiterhin, gilt für diese Wahl immer noch die Grundmandatsklausel.
Deutschland ist in 299 Wahlkreise eingeteilt. Den 299 Kandidaten mit den meisten Wählerstimmen ist bisher ein Sitz im Bundestag garantiert. Die Zweitstimme gilt der jeweiligen Partei, die dann so viel Sitze bekommt, wie sie prozentual an Zweitwählerstimmen erhalten hat. Gewinnt eine Partei aber mehr Mandate über die Erststimme (Direktmandate) als ihr prozentual zustünde, entstehen sogenannte Überhangmandate.
Gmx.net nennt ein Beispiel: Bei der Bundestagswahl 2021 hätte die SPD in Mecklenburg-Vorpommern nach dem Zweistimmenergebnis Recht auf vier Sitze gehabt. Allerdings bekamen die Kandidatinnen und Kandidaten der SPD in allen sechs Wahlkreisen die meisten Erststimmen. Die SPD hatte daher zwei Überhangmandate. Damit das Kräfteverhältnis der Zweitstimmen trotzdem erhalten bleibt, bekamen CDU, AfD und Linke in Mecklenburg-Vorpommern jeweils ein Ausgleichsmandat. Das Bundesland hat damit im aktuellen Bundestag fünf Sitze mehr als ursprünglich geplant.
Die Bundesregierung hat im Bundestag mit den Stimmen ihrer Abgeordneten Überhang- und daraus entstehende Ausgleichsmandate abgeschafft. Das hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Wenn eine Partei in einem Bundesland künftig mehr Wahlkreisgewinner als "Zweistimmen-Sitze" hat, kommen nicht mehr alle Wahlkreisgewinner zum Zug. Die Kandidaten, die in ihrem Wahlkreis die wenigsten Erststimmen bekommen haben, erhalten dann keinen Sitz. So wird der Bundestag endlich kleiner. Die CSU wird in Bayern Mandate verlieren, weil sie mehr Wahlkreise gewinnen wird, als ihr durch die Zweitstimmen zustehen. Selbst 2021 gingen trotz eines schlechten Ergebnisses von landesweit 31,7 Prozent noch 45 der 46 Direktmandate an die CSU. Ihr Zweitstimmenanteil liegt aber in Bayern nur bei 37 %, in der ganzen Republik 2021 nur bei 5,2 %.
Es geht aber nicht um Befindlichkeiten einzelner Parteien, der Bundestag ist nach China das größte Parlament der Welt, das wird jetzt endlich anders.