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I am a Noise.

05.03.2024

Ich hätte mir mehr Musik von dieser begnadeten Sängerin gewünscht. Aber die habe ich zu Hause auf Vinyl reichlich. Beim Anschauen des Films von und über Joan Baez ist mir etwas anderes in den Sinn gekommen:

Ich war 1978 im Hamburger CCH bei einem Konzert mit dieser fantastischen Frau. Ein Zwi-schenrufer brüllte etwas vom Hunger und Krieg in der Welt, Ordner wollten ihn aus dem Saal führen. Joan Baez stoppte sie und bat den Mann nach vorne zur Bühne. Sie ließ Konzert Konzert sein und diskutierte mit dem aufgebrachten Störer mehrere Minuten lang.

So habe ich sie erlebt. Als ich das Biopic – den Musikfilm – die Dokumentation „I am a Noise“ sah, war ich tief beeindruckt, ja zu Tränen gerührt. Eine ehrliche Lebensbilanz einer engagier-ten Frau, die nach dem Ende des Vietnamkrieges und dem Tod Martin Luther Kings die Sinnfrage stellte, die unter dem Ende der Beziehung zu Bob Dylan unglaublich litt und die über ihrem Ruhm ihren Sohn vergaß. Die Zeitlebens mit Panikattacken und Depressionen zu tun hatte und die schonungslos die Missbrauchsgeschichte in ihrer Herkunftsfamilie aufarbeitet.

Heute ist Joan Baez 83 Jahre alt und wenn sie in die Kamera schaut, sehe ich eine ehrliche, zerbrechliche und traurige Frau. „Laughing with Tears in my Eyes“. Unendlich vielen Menschen hat sie Mut gemacht, sich zu engagieren. Und doch bleibt zum Ende ihres Lebens – ihre Farewell Tour zum 80igsten Geburtstag ist Bestanteil des Films – ein Fragment der Legende Joan Baez stehen. Vieles ist gelungen und vieles ist auch misslungen. Fulbert Steffensky kam mir in den Sinn: die gelungene Halbheit:

Auf halber Treppe sitzen wir, es ist nicht oben, nicht unten. Auf halber Treppe sitzen wir.

Dankbarkeit also für die Hälfte der Treppe, die wir erstiegen sind. Es ist nicht nichts und es ist nicht alles. Gott ist ganz, und das genügt.