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Der Tip bekam sein verdientes P, der Kuss ein Doppel-S. 25 Jahre Rechtschreibreform, doch der Vergleich zum Gendern hinkt.

03.08.2023

25 Jahre ist sie nun alt, die Rechtschreibreform und was war es für eine Aufregung darum! Schriftsteller und Zeitungen weigerten sich, sie umzusetzen und auch ich war empört. Trotzig schrieb ich Tipp noch jahrelang mit nur einem p, Foto noch mit Ph vorne und dass mit ß. Vor einigen Jahren gab ich Deutschkurse für Geflüchtete und als die Zahlen dran waren, machte mich Hussein aus Afghanistan darauf aufmerksam, dass man Dreißig mit ß schreibt und nicht mit Doppel-s. Ooops, peinlich, wir haben alle gelacht. Erst in diesem Zusammenhang hab ich die neue Regel selbst gelernt, die doch so logisch ist: Nach langem oder zweifachem Vokal folgt das ß, bei kurzen wie im Kuss das Doppel-s. Andere Sachen wie die Zusammen- oder Auseinanderschreibung von Verben finde ich heute noch schwierig, oft ist aber beides richtig. In den Berichten zum Rechtschreib-Jubiläum wurde jetzt oft der Vergleich zum Gendern gezogen. Gleiche Aufregung über sprachliche Veränderungen. Dieser Vergleich hinkt meiner Meinung nach! Mit der Rechtschreibreform sollten die komplizierten Regeln der Schriftsprache lautorientierter, systematischer und dadurch leichter lernbar gemacht werden. Das ist teils gelungen. Gendergerechte Sprache hat einen gesellschaftspolitischen Hintergrund, Frauen sollen sichtbar gemacht werden. Sie trägt keinesfalls zur Vereinfachung der Sprache bei – ganz im Gegenteil, alles wird länger oder die Sprache verliert ihre Flüssigkeit wie in ‚Schüler:innen‘. Kann man nicht abstreiten, auch wenn man dafür ist. Mir fällt es, gerade hier beim Radio, schwer. Studierende oder Fahrradfahrende sage ich nicht gern, hab mich auch damals z.B. beim Studentenwerk immer mitgemeint gefühlt. Aber ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, ist richtig und jede und jeder kann

es doch so machen, wie es sich okay anfühlt. Gibt ja eben keine Sprachpolizei!