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Ein Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller
  • Von der Seele reden

Am Sonntag wählen gehen!

Von der Seele reden | Folge 604

03.06.2024

Von der Seele reden – der Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller, Politik- und Medienwissenschaftler und Vorstand der „Stiftung: Christliche Werte leben“.

Jeden Donnerstag um 20:45 Uhr im Radio und bereits vorab hier den ausführlichen Kommentar online hören. Mehr Infos zur Stiftung auf www.christlichewerteleben.de


„Eintracht, Wohlstand und Demokratie – die Europäische Union hat diese drei Säulen in den letzten 50 Jahren in Europa gefestigt. Sie sollten als Leitgedanken für unsere rationale zukünftige Utopie gelten. Schließlich unterscheiden sie sich nicht wesentlich von den Ideen der französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Die Utopie ist aber immer noch weit davon entfernt, Wirklichkeit zu werden. Wir erleben dies bei jeder schweren Krise in Europa aufs Neue – sei es Wirtschaftskrise oder Flüchtlingskrise. Die Europäische Union ist nicht in der Lage, einig aufzutreten. Jedes Land zieht sich hinter seine Grenzen zurück und verteidigt seine Pfründe, ohne sich um die gemeinsamen Interessen zu kümmern. Wir verstehen nicht, dass wir – zumindest im aktuellen Europa – unsere eigenen Interessen nur wahren können, wenn wir auch die der anderen Länder wahren. Denn die Interessen der anderen sind auch unsere eigenen.

Dennoch: Das vereinte Europa ist die einzige vernünftige politische Utopie, die wir Europäer im Laufe der Geschichte zustande gebracht haben.

Das europäische Projekt geht zurück auf die Trümmer des Zweiten Weltkriegs und ruht auf den Träumen von Freiheit, Frieden und Wohlstand in ganz Europa. Es waren diese Erzählungen, welche die Legitimationsgrundlagen der entstehenden Europäischen Union ausmachten: Versöhnung zwischen den Völkern und nie wieder Krieg; Freiheit nicht nur für den Westen, sondern als Vision auch für den Osten Europas; die Konkurrenzfähigkeit des Alten Kontinents innerhalb der Weltwirtschaft. Diese Erzählungen tragen nicht mehr recht; der Frieden schien uns selbstverständlich zu sein, bevor Putin uns aus unseren Träumen riss, China und die Internet-Ökonomie scheinen übermächtig zu sein. Aber das wirtschaftliche System, das Europa reich und mächtig gemacht hatte, scheint an den Rand seiner Funktionsfähigkeit zu kommen. Auch der öffentliche Diskurs ist ein merkwürdiger: Da geht es um den Kampf des „geizigen Nordens“ gegen einen „faulen Süden“ und um EU-Bürokraten, die einen irren Feldzug gegen krumme Gurken führen.

Drei klassische Funktionen von Parlamenten stehen dem Europäischen Parlament gar nicht zu: Weder kann es eine Regierung wählen, noch entscheidet es abschließend über den Haushalt, noch kann es schließlich Gesetze initiieren. Das Recht, Gesetze einzubringen, liegt vielmehr ganz allein bei der Europäischen Kommission, und diese ist – aufgrund ihrer Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit – praktisch von Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament und erst recht den Bürgern frei.

Und dann geht es wieder vorrangig um Posten: Frau von der Leyen, schon als Verteidigungsministerin bei uns zweifelhaft geblieben, will wieder EU-Kommissionspräsidentin werden. CDU/CSU biedern sich deshalb gerade der ultrarechten Meloni-Regierung in Italien als Partner an, um die erforderlichen Mehrheiten für Frau von der Leyen zusammenzubringen. So kann es nichts werden mit einem demokratischen Europa.

Gehen Sie aber bitte auf jeden Fall wählen und sorgen mit ihrer Stimme dafür, dass Europa nicht dem rechten Gesindel anheimfällt. Die AfD hat gerade bewiesen, aus welchem faulen Holz sie geschnitzt ist. Ihr Spitzenkandidat fällt selbst bei seinesgleichen durch das rechte Raster.

Ich wünsche Ihnen eine glückliche Woche, aber bitte bleiben Sie achtsam.