Lebendig tot.
Manchmal ist man nicht erst tot, wenn das Herz aufhört zu schlagen, Wenn sie einen auf der Bahre In den Kühlraum tragen. Nicht erst wenn die Hand das letzte Mal ins Leere krallt, Nicht erst wenn ne Schaufel Erde, Aufn Sargdeckel knallt.
Vielleicht ist man längst schon tot, Obwohl man noch spazieren geht, Eigentlich schon unterm Rasen, Auch wenn man noch Rasen mäht.
An der Fernbedienung spielt, Sich mit Sonnenöl einreibt, Noch Geburtstagskarten kriegt Und selbst Geburtstagskarten schreibt.
Nur noch leere Muschel, Nur noch schöner Schein.
Ist das nicht das schlimmste, Lebendig tot zu sein.
Manchmal kann es ganz schnell gehen, Wenn der Aufstieg nur noch zählt.
Wenn man etwas sagen müsste, Aber doch die Schnauze hält.
Katastrophenmeldung, Lottozahlen, Actionfilm Anguckt,
Und das Ganze unverdaut Mit einem Bierchen runterschluckt.
Manchmal stirbt man, wenn man völlig arglos Eine Fliege quält.
Manchmal stirbt man, wenn man grinsend Einen Judenwitz erzählt.
Manchmal stirbt man, weil die Watte Einem aus den Ohren quillt.
Manchmal stirbt man daran, Dass man immer seine Pflicht erfüllt.
Nur noch leere Muscheln, Nur noch schöner Schein.
Ist das nicht das schlimmste, Lebendig tot zu sein.
Wenn man mitkriegt, dass man tot ist, Muss man laut um Hilfe schrei‘n.
Manchmal haucht dann Gott persönlich Einem nochmal Leben ein.
Manchmal schickt er einen Engel, Der die Herzmassage macht,
Bis die Tränen wieder fließen Und das Herz im Leibe lacht.
Oh, das ist das größte Wunder, Wenn ein Toter aufersteht.
Wenn die Leichenstarre endet und in Leben übergeht.
Wenn die Brust vor Schmerz und Freude, Glück und Trauer wieder bebt.
Sanfte, weiche Muscheln, Heller Lichterschein. Ist das nicht das Größte, Vom Tod erwacht zu sein.
Karfreitag und Ostern – wunderschön erklärt von Gerhard Schöne.