Besondere Schwere der Schuld.
Meine Gedanken gehen in diesen Tagen immer wieder zu den Eltern von Salvador R, 18, der in Uvalde in Texas 19 Kinder erschoss. Mein Mitgefühl war in den vergangenen Jahren auch immer wieder bei den Eltern von Tim K., 17, der 2009 in Winnenden bei Stuttgart 15 Menschen und sich selbst erschoss. Fünf Jahre später wird die Mutter mit den Worten zitiert: „Er fehlt mir so“. Die Mutter des Massenmörders hat selbst ein Kind verloren, das gerade mal 17 Jahre alt war. Diese Gedanken quälten mich heute beim Aufwachen. Weil ich selbst Vater bin und einen schrecklichen Albtraum hatte. Ich war schuld am Tod des Babys unserer guten Freunde. Das erinnerte mich an eine wahre Situation vor 37 Jahren. Als junger Pastor war ich mit einer Gruppe Jugendlicher an der Nordsee. Die rote Fahne war aufgezogen – Sturmwarnung. Ich leitete eine Bibelarbeit. Wir beteten. Als ich meine Augen wieder öffnete, war Gabi weg. Gabi war mit dem Rad nach Ostfriesland gefahren – von Sindelfingen aus. In 6 Tagen. Sie war einfach während des Gebets ins Wasser gerannt, als ich meine Augen geschlossen hatte. Ich rannte über den Strand und brüllte ihren Namen in die tobende Nordsee. Immer mit dem Gedanken im Kopf, wie ich das ihren Eltern, beste Freunde und Kollegen, beibringen soll, falls Gabi nicht mehr auftaucht. 2 Stunden später ein Anruf. Sie hatte wegen ihrer unglaublichen Kondition die See bezwungen. 2 Kilometer östlich war sie erschöpft an Land gegangen. Warum erzähle ich das? Wegen meines Traums. Wegen der Eltern von Salvador R. und Tim K. Wegen aller Eltern dieser Welt, die ein ähnliches Schicksal bewältigen müssen und sich nach ihrer Schuld fragen. Ich bete für sie. Dafür, dass sie jemanden finden, der ihnen zwar ihren Schmerz nicht nehmen kann, aber ihnen zeigt, dass es Vergebung gibt. Dass sie zwar nicht mit einem ruhigen, aber doch mit einem getrösteten Gewissen weiterleben dürfen.