Fehlende Fachkräfte
Von der Seele reden | Folge 608
Von der Seele reden – der Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller, Politik- und Medienwissenschaftler und Vorstand der „Stiftung: Christliche Werte leben“.
Jeden Donnerstag um 20:45 Uhr im Radio und bereits vorab hier den ausführlichen Kommentar online hören. Mehr Infos zur Stiftung auf www.christlichewerteleben.de
Überall fehlen uns Fachkräfte. Das hat mit der demografischen Entwicklung, also der zunehmenden Alterung unserer Gesellschaft zu tun. Dem dadurch verursachten Rückgang der Erwerbspersonen wird durch vielfache Maßnahmen begegnet: Dazu gehört der Anstieg der Erwerbstätigkeit von Frauen, ein Anstieg ihres Erwerbsumfangs und eine Erhöhung der Erwerbsquoten älterer Menschen anstelle von Frühverrentung.
Unsere Geburtenrate aber ist sehr niedrig. Selbst wenn es gelänge, diese zu erhöhen, wäre uns erst in ca. 20 Jahren geholfen. Die Geburtenrate aber lässt sich nur unzureichend steuern.
Deutschland benötigt zweifellos Fachkräfte aus dem Ausland. Da in den 2020er-Jahren jedes Jahr etwa 350.000 Erwerbspersonen mehr in Rente gehen als junge Arbeitskräfte nachkommen, müsste Jahr für Jahr eine enorm hohe Zahl an Fachkräften angeworben werden. Nach einer Vorausberechnung im Jahr 2020 wird die Zahl der Erwerbspersonen bis 2030 um 3,5 Millionen zurückgehen. In dieser Berechnung ist bereits ein Wanderungssaldo von 221.000 Zuwandernden – Erwerbspersonen einschließlich Familienmitglieder – pro Jahr berücksichtigt.
Auch in Deutschland wird der öffentliche Diskurs zum demografischen Wandel zunehmend von Fragen der Zuwanderung und Integration geprägt. Einwanderungskritische Positionen, die beispielsweise auf Integrationsprobleme oder Parallelgesellschaften in bestimmten Gruppen bzw. Regionen hinweisen, sind nicht zwangsläufig rechts oder rassistisch. Auch muss zwischen Zuwanderung und Integration differenziert werden, so können Personen oder Parteien gegen eine (hohe) Zuwanderung sein und gleichzeitig für die Integration der hier lebenden Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.
Das Thema ist sehr ernst zu nehmen. Um eine höhere Akzeptanz einer Zuwanderung gerade qualifizierter Ausländer herzustellen, gehört zunächst eine schnelle und konsequente Rückführung von irregulären Zuwanderern und Straftätern, was die Bundesregierung gerade umsetzt.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat ihren Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem als ein wesentlicher Schritt zur Begrenzung irregulärer Migration durch schnellere Rückführungen und Abschiebungen von Personen ohne Bleiberecht in Deutschland ermöglicht werden sollen. Dafür sieht der Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rückführung ein Bündel an Maßnahmen vor, die effektivere Verfahren und eine konsequentere Durchsetzung der Ausreisepflicht vorsehen. Dabei geht es auch um die schnelle Abschiebung von Straftätern und Gefährdern.
Die wichtigste Antwort auf das Problem des demografischen Wandels aber heißt Bildung. Bei Menschen mit Zuwanderungsbiografie sind Bildungsunterschiede stark ausgeprägt. Während laut Mikrozensus 2018 etwa 36 Prozent aller Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund aufwiesen, waren dies auf dem Gymnasium 30 Prozent und auf der Hauptschule fast doppelt so viele (57 %). Da unter jungen Menschen mit Migrationshintergrund der Anteil ohne beruflichen Abschluss sehr hoch ist und auch der Anteil junger Menschen mit Migrationshintergrund steigt, ist eine bessere Bildung dieser Gruppe eine zentrale Herausforderung des demografischen und gesellschaftlichen Wandels. Dazu gehört auch die Einbindung der Eltern, insbesondere in Familien mit einem vergleichsweise geringen Bildungshintergrund. Der Ausbau einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildungsinfrastruktur ist hier das Wichtigste. Vor allem für Kinder, deren Familien zu Hause nicht deutsch sprechen, sind gute Kitas und frühe Sprachförderangebote unverzichtbar.
Aber auch bei uns selbst muss deutlich mehr an Bildung vermittelt werden. Der Anteil an Erwerbspersonen ohne Schul- und Berufsabschluss lag schon Anfang der 20er-Jahre bei 8,1 Millionen Personen, was einem Anteil von 18 Prozent aller Erwerbspersonen entspricht.
Ein Weiteres kommt hinzu: Es ist unerträglich, dass viele ausländische Abschlüsse in Deutschland nicht anerkannt werden und viel zu viele Zuwanderer lange nicht arbeiten dürfen. Hier muss der Bürokratie auf die Sprünge geholfen werden. Es arbeiteten 2023 insgesamt 5,3 Millionen ausländische Beschäftigte in Deutschland in sozialversicherungspflichtigen Jobs (von insgesamt 34,7 Millionen Beschäftigten). Da ist noch viel Luft nach oben.
Ich wünsche Ihnen eine glückliche Woche, aber bitte bleiben Sie achtsam.